Dieser Kongress ist eine Antwort auf die weitverbreitete Forderung nach einer Alternative zu Offenbarungsreligionen einerseits und totalitären Systemen andererseits. Die als dritter Ausweg aus der gegenwärtigen Zivilisationskrise angebotene Alternative ist der Humanismus, der keine neue Sekte ist, sondern das Ergebnis einer langen Tradition, die viele Denker und kreative Künstler der Welt inspiriert und die Wissenschaft selbst hervorgebracht hat.
Der ethische Humanismus vereint alle, die den verschiedenen Glaubensbekenntnissen nicht mehr glauben können und bereit sind, ihre Überzeugung auf die Achtung des Menschen als spirituelles und moralisches Wesen zu gründen. Die Grundlagen des modernen, ethischen Humanismus sind folgende:
- Es ist demokratisch. Ziel ist die größtmögliche Entfaltung jedes Menschen. Dabei handelt es sich um eine Frage des Rechts. Das demokratische Prinzip kann auf alle menschlichen Beziehungen angewendet werden und ist nicht auf Regierungsmethoden beschränkt.
- Ziel ist es, die Wissenschaft kreativ und nicht destruktiv zu nutzen. Sie befürwortet eine weltweite Anwendung wissenschaftlicher Methoden auf Probleme des menschlichen Wohlergehens. Humanisten glauben, dass die enormen Probleme, mit denen die Menschheit in diesem Zeitalter des Übergangs konfrontiert ist, gelöst werden können. Die Wissenschaft gibt die Mittel vor, aber die Wissenschaft selbst schlägt nicht die Ziele vor.
- Humanismus ist ethisch. Es bekräftigt die Würde des Menschen und das Recht des Einzelnen auf größtmögliche Entwicklungsfreiheit, die mit den Rechten anderer vereinbar ist. Der Versuch, wissenschaftliche Erkenntnisse in einer komplexen Gesellschaft zu nutzen, birgt die Gefahr, dass die individuelle Freiheit durch die sehr unpersönliche Maschinerie bedroht wird, die geschaffen wurde, um sie zu retten. Der ethische Humanismus lehnt daher totalitäre Versuche ab, die Maschine zu perfektionieren, um auf Kosten menschlicher Werte unmittelbare Vorteile zu erzielen.
- Sie besteht darauf, dass die persönliche Freiheit ein Ziel ist, das mit sozialer Verantwortung verbunden werden muss, damit sie nicht der Verbesserung der materiellen Bedingungen geopfert wird. Ohne geistige Freiheit wäre Grundlagenforschung, von der Fortschritt auf lange Sicht abhängen muss, nicht möglich. Der Humanismus wagt es, eine Welt auf der Grundlage des freien, der Gesellschaft gegenüber verantwortlichen Menschen aufzubauen. Im Namen der individuellen Freiheit ist der Humanismus undogmatisch und drängt seinen Anhängern kein Glaubensbekenntnis auf. Damit setzt sie sich für eine Bildung frei von Indoktrination ein.
- Es handelt sich um eine Lebensweise, die durch die Pflege eines ethischen und kreativen Lebens auf die größtmögliche Erfüllung abzielt. Es kann eine Lebensweise für jeden überall auf der Welt sein, wenn der Einzelne in der Lage ist, auf die sich verändernde Gesellschaftsordnung zu reagieren. Die Hauptaufgabe des Humanismus besteht heute darin, den Menschen in einfachsten Worten bewusst zu machen, was er für sie bedeuten kann und wozu er sie verpflichtet. Indem die Humanisten in diesem Zusammenhang und zum Zweck des Friedens die neue Kraft nutzen, die uns die Wissenschaft gegeben hat, sind sie zuversichtlich, dass die gegenwärtige Krise überwunden werden kann. Befreit von der Angst werden die Energien des Menschen für eine Selbstverwirklichung zur Verfügung stehen, deren Grenzen nicht vorhersehbar sind.
Der ethische Humanismus ist somit ein Glaube, der die Herausforderung unserer Zeit antwortet. Wir rufen alle Männer, die diese Überzeugung teilen, auf, sich uns in dieser Sache anzuschließen.
IHEU-Kongress 1952
Empfohlene akademische Referenz
„Amsterdamer Erklärung 1952“, Humanists International, World Humanist Congress, Amsterdam, Niederlande, 1952